Wenn du neu ins Cosplay einsteigst, kann die riesige Auswahl an Kostümdesigns, Werkzeug und Materialien schon mal überwältigend sein. Woher weiß ich, ob ein Kostüm das richtige für mich und meinen Skill Level ist?
Wenn ich mir ein neues Näh- oder Bastelprojekt vornehme, schaue ich mir erstmal die Vorlagenbilder ganz genau an und recherchiere mögliche Materialien und Techniken. Ich will wissen, was mich erwartet:
- Wie teuer wird es werden?
- Wie lange brauche ich, um das herzustellen?
- Braucht es eine Fertigkeit, die ich noch nicht habe oder in der ich noch nicht so gut bin?
Zu guter Letzt: Wird es ein bequemes Kostüm oder kann ich das unmöglich auf einer Con tragen?
Ich habe eine Liste mit „Warnzeichen“ zusammengestellt, auf die du selber achten kannst, wenn du dir ein Kostümdesign anschaust. Jeder dieser Punkte kann deinen Geldbeutel und deine Geduld strapazieren!
Tipp: Das heißt natürlich nicht, dass du kein „schweres“ Kostüm machen darfst. Diese Kostüme brauchen eben nur mehr Anstrengung, um sie fertigzustellen. Wenn du gerade erst anfängst, macht es Sinn, dir erstmal ein einfaches Kostüm vorzunehmen, das du in ein paar Tagen oder Wochen nähen oder basteln kannst. So kommst du schnell zu einem Erfolgserlebnis, ohne großen Frust oder ein Loch im Portemonnaie.
Ich hoffe, meine Tipps helfen dir weiter!
Wie groß ist das Kostüm?
Große, ausladende Kostüme machen mächtig Eindruck, aber wenn du sie nicht gerade aus alten Bettlaken nähst oder aus Pappe bastelst, werden sie ganz schön teuer. Bevor du mit einem Projekt anfängst, überschlag erstmal, wie viel Material du dafür brauchst. Prinzessinnenkleider zum Beispiel verschlingen eine Menge Stoff und brauchen noch mehr Stoffmassen für den Unterbau. Für einen langen, weiten Rock können schnell mal 6-10 Meter Stoff draufgehen. Dazu kommen noch Dutzende Meter Tüll und Baumwollstoff für den oder die Unterröcke (Petticoat, Reifrock). Wirf einen Blick auf die Preisschilder im Stoffladen um die Ecke, und du kannst dir ungefähr vorstellen, wie teuer das wird!
Wenn du dir unsicher bist, wie viel Material du brauchst, dann entwirf zuerst das Schnittmuster oder sieh dich nach einem ähnlichen Schnitt um, den du abändern kannst. Bei Kaufschnitten steht hinten auf der Packung immer die benötigte Stoffmenge drauf, somit kannst du die Kosten schon abschätzen, bevor du das Schnittmuster kaufst.
Abgesehen von den Materialkosten solltest du für große Bauten auch mehr Zeit einplanen, einfach weil jeder Schritt länger dauert. Ob du jetzt dein 2-Meter-Monsterschwert schleifst oder 20 Meter Spitze auf den Saum eines Ballkleids nähst… Das riecht nach langen, nicht sehr spannenden Fernsehabenden! Zur Belohnung richten sich alle Augen auf dich, wenn du das fertige Kostüm auf einer Con trägst.
Cinderellas Ballkleid war schon immer ein Traumkostüm für mich. Bis ich mich an das Monster heranwage, fühle ich mich aber auch in ihrem Alltagskleid wohl. Viele Charaktere haben ein alternatives Outfit, das kleiner und einfacher ist als ihr Hauptkostüm oder ihre verwandelte Form. Du kannst auch nach Fanart suchen oder dein eigenes Design zeichnen – Eigenkreationen (Original Designs) sind unter Cosplayern gern gesehen, solange man erkennen kann, welchen Charakter du darstellst!
Wie viele Farben hat mein Kostüm?
Je mehr Farben dein Kostüm hat, umso mehr verschiedene Stoffe (oder Farben/Färbemittel) brauchst du. Wenn du dich nicht aus einem riesigen Fundus an Materialien bedienen kannst (wie ihn viele Langzeit-Cosplayer zu Hause haben…), wirst du viel Zeit und Geld in Materialrecherche, Shoppingtouren und Färbetests investieren.
Mehr Farben bedeuten auch, dass du mehr Einzelteile zuschneiden und zusammennähen musst und mehr Verzierungen anbringst. Einzigartige Muster und Farbverläufe erhöhen den Schwierigkeitsgrad.
Farben passend aufeinander abzustimmen, kann ganz schön knifflig sein, wenn dein Charakter zum Beispiel 5 verschiedene Rosatöne hat und die dann auch noch aus einer bestimmten Stoffart sein sollen. Diese Recherche ist einer meiner Lieblingsaspekte von Cosplay, aber es kann echt anstrengend sein, wenn du so perfektionistisch bist wie ich!
Meine Sheryl (Wings of Goodbye) besteht aus mindestens 14 verschiedenen Stoffen in allen möglichen Farben und Stoffarten. Einige davon hatte ich sogar noch da, andere waren Glückskäufe!
Wie viele Details & Verzierungen hat mein Kostüm?
Anime- und Videospiel-Designer lieben detailreiche Kostüme. HD-Grafik hat das Ganze für uns Cosplayer noch schlimmer gemacht – manchmal denke ich, ein Design ist nur dazu da, uns zu trollen!
Verzierungen an einem Näh-Kostüm können sein:
- Knöpfe, Nieten, Gürtelschnallen
- Schmuck und Schmucksteine
- Stoffe mit Struktur oder Muster (die du so kaum im Laden findest)
- Zierstiche (erkennst du z.B. an gestrichelten Linien)
- Perlen und Pailletten
- Stickereien, Applikationen und dekorative Muster jeder Art
- Spitzen, Borten oder Schrägband (Streifen oder verzierte Kanten)
- sonstige Teile des Kostüms, die eine andere Farbe oder Textur haben
Einiges davon (z.B. eine gemusterte Borte oder Spitze, oder ein Stoff mit Streifen oder Karos) kannst du durch Ähnliches ersetzen, wenn es nicht 100% originalgetreu sein muss. Das exakte Muster zu reproduzieren, kann aber sehr viel extra Zeit und/oder Geld kosten, deshalb solltest du dir überlegen, wie wichtig diese Details für dich sind.
Wenn du nicht glaubst, dass du eine Applikation mit Stoff oder eine Stickerei hinbekommst, dann kannst du viele solcher Details auch auf den Stoff aufmalen (mit Stoffmalfarbe oder Acrylfarbe). Dazu braucht es aber immer noch ein gutes Händchen und Geduld, damit es am Ende gut aussieht. Eine schlampige Malarbeit kann dein Kostüm ruinieren und den Stoff steif und unbequem machen. Eine andere einfache Methode ist eine Applikation mit Plotterfolie (Flexfolie), die du ausschneidest und auf den Stoff bügelst. Die Methode hat aber ihre Grenzen, wenn du keinen Plotter (eine programmierbare Schneidemaschine) besitzt.
Für welche Technik du dich auch entscheidest, ich rate dir, sie erstmal an einem kleinen Projekt zu testen – zum Beispiel ein T-Shirt mit Logo – bevor du ein detailreiches Kostüm anfängst.
Star Date Sheryl ist ein einfaches Kostüm, weil es keine Muster oder Verzierungen hat – bis auf die petrolfarbenen Bündchen, die ich aus zwei langen Stoffstreifen genäht habe.
Ganz anders Cheongsam Pluto! Für dieses komplexe Design habe ich diverse Deko-Techniken verwendet: Seidenmalerei und Stoffapplikation für die Blumen, Plotten und Flex-/Flockfolie aufbügeln für die feinen Muster am Saum und auf den Handschuhen, die Kanten mit selbstgemachtem Schrägband einfassen, Schmucksteine gießen und lernen, wie man chinesische Knoten für Knebelverschlüsse knüpft.
Welchen Schnitt und welche Passform hat mein Kostüm?
Egal, wie groß und detailreich dein Kostüm ist: Der Schwierigkeitsgrad des Schnittmusters ist ein großer Faktor. In einem Kostüm, das schlicht aussieht, kann in Wahrheit große Schneiderkunst stecken – wie bei einem figurbetonten Kleid oder einem eleganten Anzug.
Leichte Schnitte:
- weite Oberteile und Hosen
- weite Röcke (Achtung: Tellerröcke sind etwas schwer zu säumen!)
- Capes und Umhänge
- einfache geometrische Formen (Beispiel: ein Kimono besteht nur aus rechteckigen Stoffstücken)
- Arm- oder Beinstulpen
- Rüschen
- je weniger Nähte, umso besser!
Fortgeschrittene Schnitte:
- figurbetonte Oberteile und Kleider
- Corsagen und Korsetts
- Bodysuit
- enge Hosen
- Handschuhe
- Herrenanzug
- Hemdkrägen und Details wie Taschen oder Manschetten
- unrealistische, wie schwerelos abstehende Teile
- Schnitte mit vielen Nähten / Einzelteilen
Ich rate dir, für alles außer den ganz einfachen Formen (wie ein Kimono oder ein Tellerrock) Kaufschnitte zu benutzen. Sie haben eine Anleitung, wie du die Einzelteile zusammenfügst, und sie sind auf den menschlichen Körper zugeschnitten, du musst sie nur evtl. an deine Maße anpassen. Die Fachbegriffe sind erstmal verwirrend, aber es zahlt sich später aus, wenn du dich an komplexere Schnittmuster wagst. Mit den Anleitungen lernst du auch Grundtechniken des Nähens, z.B. wie du einen Ärmel richtig einsetzt oder ein Kleidungsstück fütterst.
Wenn du erstmal eine Sammlung an Standard-Schnittmustern hast, kannst du daraus fast jedes Outfit machen, das den Designern so einfällt!
Aus welchem Stoff soll mein Kostüm sein?
Die Auswahl an Stoffen, die dir als Hobbyschneider*in zur Verfügung stehen, kann ganz schön verwirrend sein. Tatsächlich brauchst du für den Anfang aber nur wenige Stoffarten zu kennen. Mach lieber erstmal einen Bogen um teure oder spezielle Stoffe (wie Kunstleder, Samt oder Seide), bis du ein paar einfache Nähprojekte gemeistert hast und dich sicher fühlst im Umgang mit Schnittmuster und Nähmaschine.
Stoffe, die sich super für Anfänger eignen:
- Baumwoll-Leinwand (z.B. „Fahnentuch“) (1, 2)
- Baumwoll-/Polyester-Mischgewebe und andere mittelschwere Stoffe, nicht elastisch oder nur mit wenig Stretch (3, 4)
- Tüll (für Petticoats, Schleifen, Schleier) (5)
- Filz (für Verzierungen, Hüte) (6)
Stoffe, die etwas Erfahrung erfordern:
- Stretchstoffe wie Jersey und Lycra/Spandex (1)
- Satin und Taft (2, 3)
- Wolle und Leinen, v.a. wenn sie sehr schwer oder wabbelig sind (4, 5)
- schwere Stoffe wie Jeans/Denim (6)
Stoffe, die fies zu verarbeiten sind:
- Samt (1)
- Fellimitat / Plüsch (2)
- Leder und Kunstleder (3, 4)
- zarte und dünne Stoffe wie Chiffon oder Organza (siehe unten)
Anfänger-Stoffe sind leicht zu schneiden, sie verziehen sich nicht beim Nähen, sie brauchen keine spezielle Pflege oder Werkzeuge und die Nähte lassen sich leicht wieder auftrennen. Die meisten gibt es günstig zu kaufen, sie reißen also hoffentlich kein Loch in deinen Geldbeutel, wenn du dich mal vertust.
Wenn dein Kostüm eine historische Vorlage hat, dann sind Polyester und Baumwolle vielleicht nicht die authentischste Wahl. Leinen, Wolle und Echtleder (sogar gutes Kunstleder) können eine Krieger-Gewandung stark aufwerten, aber sie sind alle teuer und manchmal schwer im richtigen Farbton und Gewicht zu finden. Eine Prinzessin sieht in reiner Seide gleich viel eleganter aus, aber die Preise für schwere Seidenstoffe, wie man sie für Ballkleider benutzt, sind astronomisch. Das wären so Kostüme, die du dir vielleicht für später aufheben willst, wenn du großen Wert auf Genauigkeit legst.
Lorenta (Valkyrie Profile) ist eines meiner teuersten Kostüme bislang. Ich habe EUR 200.- allein für den fliederfarbenen Seidenstoff für den Rock ausgegeben, und das war noch ein Schnäppchen, weil ich gleich 8 Meter davon brauchte und der Händler mir Rabatt gab!
Hat mein Kostüm Rüstungsteile oder Requisiten?
Je nachdem, wo deine Stärken liegen, ist Basteln vielleicht sogar leichter für dich als Nähen. Dann geht es dir anders als mir! Moderne Materialien für den Rüstungsbau – wie HD Foam oder Worbla – sind aber in jedem Fall teuer. Wenn du was Größeres planst, zeichne unbedingt vorher das Schnittmuster oder die Schablone und rechne aus, wie viel Material du brauchst. Denk daran, dass große Teile womöglich mehr als eine Lage Material brauchen, um sie zu stabilisieren.
Jedes neue Material probierst du am besten erstmal an einem kleinen Projekt aus, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Das Grundieren und Schleifen von Rüstungsteilen und Props (Requisiten) ist sehr zeitaufwändig und du musst manchmal mehrere Methoden testen, bis dir das Finish gefällt.
Die Anzahl und Größe der Einzelteile ist ein riesiger Zeitfaktor, deshalb kann eine Ganzkörperrüstung schon mal mehrere Monate in Anspruch nehmen. Unterschätze nicht die „Trial & Error“-Phase, in der du lernst, wie du alle Rüstungsteile an deinem Körper befestigst, dich darin bewegst und wie das alles zusammenpasst.
Kein Kostüm für Anfänger: Gwendolyn (Odin Sphere) hat große Flügel, eine komplette Beinrüstung, eine beleuchtete Waffe und komplexe Näharbeiten (Korsett). Es erforderte solide Kenntnisse in allen Bereichen… und ein gut gefülltes Portemonnaie. Die handgefärbten Federn für die Flügel waren für mich der teuerste Teil, gefolgt von den Materialien und Airbrush-Farben für die Rüstung und Lanze. Es kommt auf der Bühne toll zur Geltung, aber es ist sehr umständlich, sich darin zu bewegen!
Große Flügel und Elektronik (wie sich bewegende Teile oder LED-Beleuchtung) sind der Stoff, aus dem Traumkostüme sind! Sie können sehr schnell sehr teuer werden. Es gibt tolle Anfänger-Tutorials für LEDs, aber deinen eigenen Schaltkreis zu entwerfen und in dein Kostüm einzubauen, erfordert schon etwas eigene Forschung und Entwicklung. Das Gleiche gilt für Flügel: Es gibt eine ganze Reihe von Techniken, die du verwenden kannst, aber du musst herausfinden, welche die richtige für dein Cosplay ist und wie du die Konstruktion an deinem Körper befestigst. Dann kommt noch die mühsame (und teure) Prozedur, das Flügelgestell mit Federn zu bedecken, damit es realistisch aussieht. Wenn du unbedingt Flügel für dein erstes Cosplay machen willst, fang am besten mit kleinen, leichtgewichtigen Flügeln an (wie Feen- oder Fledermaus-Flügel), die du wie einen Rucksack tragen kannst.
Braucht mein Kostüm eine aufwändige Frisur?
Ich liebe das Perücken-Styling, deshalb kriegt ein Charakter bei mir Bonuspunkte für eine komplexe oder abgefahrene Frisur! Ich weiß aber, dass es viele Cosplayern anders geht – selbst alte Hasen scheuen manchmal vor einem Kostüm zurück, für das sie neue Stylingtechniken lernen müssen.
Wie du weißt, ermutige ich jeden dazu, sich eine Dose Haarspray zu schnappen und einfach loszulegen mit dem Lernen! Denk nur daran, dass eine aufwändige Perücke genau so viel Zeit schlucken kann wie der Rest des Kostüms. Einige meiner Perücken kosten mehr als die Stoffe, die in dem Kostüm verarbeitet sind, weil ich mehrere Perücken oder extra Kunsthaar kaufen musste, Perückenfarbe oder besondere Ausrüstung. Bevor du dir eine Basisperücke zum Selberstylen kaufst, lies nach, wie andere Cosplayer es gemacht haben, und recherchiere zu diesen Stylingtechniken.
Leichte Frisuren:
- kurze oder mittellange Haare
- glattes Haar oder natürliche Locken / Wellen
- klassischer Zopf oder tief sitzender Pferdeschwanz
- Naturfarben oder Standardfarben, die leicht zu finden sind
- alles, wofür du eine fertige „Character Wig“ kaufen kannst
Beachte, dass du Perücken nach dem Kauf oft noch bearbeiten musst, selbst für einfache Frisuren. Auch wenn sie auf dem Produktfoto gestylt sind, kommen sie normalerweise ungestylt in einer Tüte an!
Komplexe oder teure Frisuren:
- hochgezogene Perücken und Pferdeschwänze
- sehr lange oder dichte Perücken
- riesige Locken und Stacheln, die der Schwerkraft trotzen
- sichtbarer Haaransatz (du brauchst evtl. eine Lace-Front-Perücke oder musst einen Ansatz kleben)
- seltene Farben und mehrfarbige Perücken (du musst sie evtl. färben oder mehrere Perücken zusammennähen)
- jede Perücke, wenn du einen großen Kopf hast (60cm+) oder dichtes, langes Haar, das du schwer unter die Perücke bekommst
Ich hoffe, diese Liste wirkt nicht einschüchternd! Du findest zu all diesen Techniken auch Tutorials, wenn du sie für dein nächstes Cosplay-Projekt angehen willst. Schau dich mal in den Perücken-Tutorials auf meinem Blog oder meiner Facebook-Seite um (oder kauf meine Bücher!)
Hier findest du meine 10 besten Tipps für Wig Noobs (Englisch) und meine Tipps zum Perückenkauf (Deutsch).
Und jetzt? Nichts wie ran an deine eigenen Kostüme! Speicher dir meine Checklisten und bitte lass mich wissen, wenn du in diesem Beitrag etwas vermisst hast! Ich lese gern eure Kommentare.
Ein Gedanke zu “Was sind gute Kostüme für Anfänger?”